Pride Biz Forschungspreis 2022

Katharina Müller: Geheime Öffentlichkeiten: Zum Kuratieren audiovisueller Spuren der LGBTIQ+-Selbstdokumentation in und mit Verbindungslinien nach Österreich

Abstract
Queer hat eine Geschichte, und die kann sich zeigen lassen. Die Frage ist nur wie: Die Publikation analysiert erstmals die audiovisuelle ephemere Selbstdokumentation der LGBTIQ+-Community in und mit Verbindungslinien nach Österreich. Sie erschließt Möglichkeiten der Kuratierung dieser höchst sensiblen Bestände. Während queere Lebensformen – gemäß der staatlichen Pönalisierung von Homosexualität – bis in die 1990er Jahre in Film und TV historisch mehrheitlich ignoriert und wenn, dann eher als eine Geschichte der Unterdrückung dargestellt und reproduziert wurden, finden wir jenseits der offiziellen Repräsentation und staatlichen Einflussnahme eine beträchtliche Zahl an ephemeren Filmen und Videos: Home Movies, Amateurfilme, Bewegungsfilme, Kampagnenvideos, Coming-Out-Filme, Klubfilme uvm., die außerhalb industrieller und künstlerischer Verwertungszusammenhänge entstanden sind. Ich begreife diese Ephemera nicht als „private Dokumente“, sondern als virtuelle Räume einer Gegenöffentlichkeit. Betrachtungsgegenstand ist die – eigens für das Projekt erarbeitete – Sammlung „Regenbogenfilme“ des Österreichischen Filmmuseums. Das Material umfasst eine Laufzeit von mehreren tausend Minuten. Ziel des in der Publikation beschriebenen Projektes ist eine audiovisuelle Alltags- und Bewegungsgeschichte von LGBTIQ+ sowie die Entwicklung von kuratorischen Strategien für ihre Vermittlung. Die Frage der Räume stellt vor bildethische Herausforderungen: Angesichts der Fragilität der Ephemera fragt das Projekt nach den Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit dem Material von sog. „sexuellen Minderheiten“ in der visuellen Kultur. Kernhypothese ist, dass eine Verschiebung des Fokus vom „Dokument“ hin zu „audiovisuellen Spuren“ ein Weg ist, mit den zentralen Ambivalenzen von LGBTIQ+- Un/sichtbarkeit – zwischen Empowerment und Vulnerabilität – umzugehen. Mit der Extraktion audiovisueller Spuren, können kuratorische Strategien dies- und jenseits von Repräsentation im Analogen wie im Digitalen erschlossen werden.

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